>
In der Nacht zum Dienstag starb ein Mitarbeiter der BASF in Minden, nachdem er am Montag abend aus einer vergifteten Flasche Limonade getrunken hatte. Der 44-jährige Familienvater hatte die Flasche schon seit einigen Tagen in einem Kühlschrank in einem Pausenraum deponiert und auch als die seinige gekennzeichnet. Zwei Polizisten wurden verletzt, als sie an weiteren Flaschen gerochen hatte, die offenbar ebenfalls vergiftet waren. Dies legt nahe, dass der Giftanschlag nicht gezielt gegen den Mitarbeiter gerichtet war, sondern evtl. als Rache- oder Sabotageakt gegen die BASF gelten sollte. Dementsprechend besteht Angst vor weiteren Anschlägen und die Sorge, wie man sich davor schützen bzw. vergiftete Lebensmittel rechtzeitig erkennen kann.
Spekulationen, dass es sich um einen Unfall gehandelt haben könnte, bei dem versehentlich Gift in die Limonade gelangt sein könnten, da ja schließlich der Umgang mit Chemikalien in einer Chemiefirma wie der BASF zum Alltag gehören, sind dagegen vollkommen abwegig: In jedem Chemielabor wird strengstens darauf geachtet, dass niemand mit Lebensmitteln jeglicher Art den Laborbereich betritt. Zum Verzehr von Lebensmitteln gibt es abgetrennte Sozialräume - selbst an unseren chromisch unterfinanzierten Universitäten wird hieran nicht gespart - die umgekehrt niemand mit Chemikalien betreten darf.
Obwohl es noch keine offizielle Bestätigung gibt, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Giftanschlag mit Blausäure handelt: Da die Polizisten bereits durch bloßes Riechen an den Limonadenflaschen verletzt wurden, muss es sich um ein schnell wirkendes, gasförmiges Gift handeln, das man aber andererseits ohne größeren Aufwand in die Limonade geben konnte. Hierfür kommen eigentlich nur Cyanide - Salze der Blausäure - in Frage, das Kaliumsalz ist unter dem Namen Zyankali sicherlich jedermann vom Namen her bekannt. Versetzt man Zyankali mit Säure, wird gasförmiger Cyanwasserstoff (Siedepunkt 26 °C), besser bekannt als Blausäure, frei, wovon bereits etwa 60-100 mg (Milligramm; entspricht 140-230 mg Zyankali) für einen Menschen tödlich sind. Da Limonade, wie jedes Kohlensäure-haltige Getränk, sauer ist, kann Zyankali hierin gelöst besonders schnell seine Wirkung entfalten und nicht nur durch Trinken, sondern auch durch Inhalation in den Körper eines Menschen gelangen. Die Wahl des Täters, ausgerechnet Limonade zu vergiften, könnte daher auf eine gewisse chemische Sachkenntnis deuten.
Blausäure hat einen intensiven Geruch nach Bittermandeln, so dass man sie prinzipiell hierdurch erkennen kann. Genetisch bedingt können aber etwa die Hälfte der Menschen den Geruch nicht wahrnehmen, so dass nicht jedem dieses Warnsystem zur Verfügung steht. Darüber hinaus wissen natürlich viele Menschen nicht, ob sie Blausäure riechen können, da dies natürlich nicht ein Stoff ist, mit dem man täglich umgeht. Da Cyanide in der Chemie vielfältigen Einsatz finden, raten wir stets unseren Studenten in den Praktika, gezielt einmal unter Aufsicht eines Assitenten herauszufinden, ob sie den Cyanidgeruch wahrnehmen können. Falls nicht sollte derjenige mit Cyanid nicht alleine arbeiten.
Wenn Sie den bitteren Geruch von Bittermandeln wahrnehmen, sollte bei Ihnen die Blausäuredetektion per Nase funktionieren. Allerdings wird der typische, unangenehme Blausäuregeruch durch den in den Mandeln ebenfalls enthaltenen Benzaldehyd, der angenehmen süßlich nach Marzipan riecht, überdeckt.
Da Blausäure außerordentlich schnell wirkt, ist schnelles Handeln bei einer Vergiftung von größter Wichtigkeit. Da Cyanidionen sehr effektiv von Eisen in der Oxidationsstufe +3 gebunden werden kann, ist eine Erhöhung der Eisen(III)-konzentration im Körper eine wirksame Behandlungsmethode. Da in unserem Körper in Form von Hämoglobin bereits eine Menge Eisen in der Oxidationsstufe +2 vorhanden ist, gibt man als Antidot 4-Dimethylaminophenol, das rasch einen Teil des Eisen(II) des Hämoglobins zu Eisen(III) oxidiert. Als weitere Maßnahmen ist die Einnahme von Natriumthiosulfat angezeigt, um eine Schwefelquelle für die Umwandlung des Cyanids in Rhodanid durch das in uns Menschen vorhandene Enzym Rhodanase zu bewirken.
Da Cyanid nicht besonders gut an Eisen(II) bindet, stellt es - anders als etwa bei Vergiftungen für Kohlenmonoxid - für das Hämoglobin, das primär für den Transport von Sauerstoff in unserem Körper verantwortlich ist, keine besonders große Gefahr dar. Dagegen wird aber ein Eisen(III)-enthaltener Cofaktor der Cytochrom cOxidase, ein Enzym, das für die Zellatmung unerlässlich ist, durch Bindung von Cyanid irreversibel blockiert, es kommt zu einer so genannten inneren Erstickung. Vergiftungssymptome sind Atemnot, Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen.