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Oliver Reiser
Die Bundesregierung warnt vor den Gefahren des W-LANs und rät, im Heimgebrauch den Computer über Kabel an das Internet anzuschließen.
Man merkt, dass Sommerpause ist und es offenbar an Themen fehlt. Von den Grünen hört man ohnehin nicht mehr viel, seit sich alle bundesdeutschen Parteien den Umweltthemen verschrieben haben. Was liegt also näher, als sich mal wieder ins Gespräch zu bringen, was in Deutschland ja immer besonders leicht durch die Kombination Angst vor Naturwissenschaft und Technik gepaart mit Unwissen - s. etwa auch den Artikel Insulin - Lebensretter für Diabetiker in diesem Portal - gelingt.
Los ging es also: Eine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung wurde gestellt, ob die Strahlung, die vom WLAN ausginge, denn gefährlich sei. Und tatsächlich zeigte sich die Bundesregierung offenbar auf dem falschen Fuß erwischt und gab erst einmal eine vorsorgliche Warnung vor möglichen Gefahren durch WLAN Strahlung heraus, verbunden mit der Empfehlung, den Computer doch lieber über Kabel mit dem Internet zu verbinden. Dabei, liebe Frau Bundeskanzlerin, lag die Kompetenz als diplomierte Physikerin mit einer Diplomarbeit zum Thema Statistische und Chemische Physik von Systemen der Isotopen- und Strahlenforschung doch eindeutig auf Ihrer Seite, so dass hier zügig der Profilierungsversuch der Grünen aus der Welt geschafft hätte werden können.
Die Abschätzung, ob eine Strahlung für ein Lebewesen gefährlich ist, muss sich an zwei Aspekten orientieren: Zum einen könnte die Strahlung so energiereich sein, dass deren Aufnahme in Form von Wärme für Lebewesen schädlich ist, es käme also im Extremfall zu einer Verbrennung. Alternativ könnte die Strahlung eine Frequenz besitzen die in der Lage ist, Moleküle oder Molekülgruppen anzuregen (in Resonanz zu versetzen), und dadurch unerwünschte chemische Reaktionen auslösen. Vergleichbar wäre dieser Vorgang mit Soldaten, die im Gleichschritt mit der richtigen Geschwindigkeit über eine Brücke gehen, d.h. die Geschwindigkeit muss der Schwingungsfrequenz der Brücke entsprechen, wodurch diese zum Schwingen angeregt wird und dadurch einstürzt.
Drahtlose WLAN Netzwerke senden mit einer Frequenz von 2.4 Ghz, das entspricht etwa einer Wellenlänge von 12 cm, also einer langwelligen Strahlung (s. elektromagnetisches Spektrum, Abbildung rechts, zur Vergrößerung anklicken). Moleküle werden in diesem Wellenlängenbereich nicht zu Schwingungen angeregt, die eine chemische Reaktionen auslösen könnten. Hierfür ist eine sehr viel kurzwelligere Strahlung nötig, etwa sichtbares Licht (380 - 800 nm [1 nm = 10-9 m]) und vor allem schwaches ultraviolettes Licht (200 - 380 nm), was jedem deutlich wird, der schon einmal einen Sonnenbrand hatte. Diese Wellenlängenbereiche werden in der Photochemie schon seit langem ausgenutzt, um gezielt chemische Reaktionen auszulösen. Röntgenstrahlung (< 0.5 nm) hat so kurze Wellenlängen, dass sie lebendes Gewebe durchdringen und es dadurch zerstören kann.
Ein WLAN Router, z. B. meine Fritz Box, hat eine typische Sendeleistung von 25-30 mW (1 mW [milliwatt] = 0.001 W = ein tausendstel Watt), die erlaubte Obergrenze für anmeldefreie Anwendungen im 2.4-GHz-Bereich ist auf 100 mW beschränkt. Zum Vergleich: Der Mikrowellenherd liefert mit 600 bis 1000 Watt ein vielfaches an Sendeleistung, aber selbst ein Handy kann es auf Sendeleistungen von bis zu 2 Watt, also fast das 100-fache eines WLAN Routers bringen. Die Sendeleistung eines WLAN Routers - und auch die eines Handys - ist daher viel zu gering, um eine Erwärmung und damit eine Schädigung eines Menschen zu bewirken. Sehr umfangreiche Messungen an der Universität Bremen haben gezeigt, dass die sogenannte Leistungsflussdichte, die von WLAN Routern ausgeht, maximal bei 0.003 W/m2 (Watt pro Quadratmeter) liegen. Auch im Abstand von nur 20 cm von einem Notebook, das unter Volllast Daten sendet - eine Situation, die nur selten vorkommt - lag die Leistungsflussdichte bei maximal 0.1 W/m2, der festgelegte Grenzwert liegt dagegen bei 10 W/m2. Aussagen von RTL im gestrigen Nachtmagazin, nachdem Leistungsdichten durch WLAN Router von 10 W/m2 auftreten sollen, halte ich daher für völlig aus der Luft gegriffen, und passend dazu hatte RTL auch keine Quellen für diese Daten genannt.
Der Bildungsausschuß des Bayerischen Landtags sprach bereits die Empfehlung aus, auf WLAN an den Schulen zu verzichten. Ich unterrichte an einer bayerischen Universität; ich bin einmal gespannt, ob unser WLAN Netz in unseren Hörsälen noch funktioniert, oder ob ich demnächst wieder mit Kabeln durch die Lande ziehen muss. Allen Politikern, die diese Beschlüsse fassen, möchte ich dann noch empfehlen, nicht mehr nach draussen zu gehen: An einem wolkenlosen Tag sendet die Sonne nämlich etwa 1000 W/m2 auf die Erdoberfläche.
Bildnachweis:
Elektromagentisches Spektrum: Wikimedia Commons (GFDL)
Artikel zum Thema:
Studie der Universität Bremen zur Strahlenbelastung von WLAN | Insulin - Lebensretter für Diabetiker | Chemie des Sonnenbrands