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Oliver Reiser

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Chemieolympiade 2008

von Oliver Reiser

Der Fragenservice dieses Chemieportals wird mißbraucht, um Hilfestellung zu Aufgaben der Chemieolympiade zu erhalten. Muss das wirklich sein? © Chemie-im-Alltag 2007

In der 9. Klasse bekam ich Chemie im Gymnasium. Dieses Fach sollte ein Buch mit sieben Siegeln werden, nicht nur für mich, sondern auch für meinen Sport- und Erdkundelehrer, der im Schnellverfahren und offenbar immer maxmimal eine Stunde voraus mit dem Schulstoff, zum Chemielehrer umgewandelt wurde. Als sehr guter Mathematikschüler wollte mir so gar nicht einleuchten, warum

Na + Sauerstoff zu Na2oxyd reagiert, während

Mg + Sauerstoff zu Mgoxyd wird.

Unglaublich, aber in der Tat wurde eine gemischte Wort/Formelschreibweise genutzt, Wertigkeit, Periodensystem etc. waren Fremdworte, und warum man zu Beginn der ersten Gleichung Na hat, im Produkt dann aber offenbar ein Na gewinnt wurde von dem Lehrer nur mit Achselzucken quittiert. Meine erste Zeugnisnote in Chemie war dann eine 4, und ich beschloss, dass Chemie wohl nicht meine Sache werden würde.

Doch ein Wunder sollte geschehen: In der 10. Klasse gabe es einen neuen Lehrer - Chemie und Physik - und die Worte Gleichung, Stöichiometrie und Wertigkeit kehrten in den Chemieunterricht ein und vereinten mein Weltbild der Mathematik mit der Chemie. Am Ende des Halbjahres gab es eine 2+, und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte: Seit 1997 bin ich Professor und Lehrstuhlinhaber für Organische Chemie an der Universität Regensburg.

Das Chemieportal "Chemie im Alltag"

Zu vermitteln, dass Chemie eine interessantes Fach ist und damit es anderen Schülern nicht zu Beginn ihrer Begegnung mit der Chemie so geht wie mir ist für mich der Beweggrund, dass ich seit etwa 5 Jahren das Chemieportal inklusive eines kostenlosen Beratungsservices betreibe. Zunächst war dieses Portal bei freenet.de angesiedelt, doch nachdem man dort beschloss, den Frageservice einzustellen, machte ich mich mit dem Portal mit einer eigenen Domain selbständig. Insgesamt habe ich bislang mehr als 3000 Anfragen beantwortet - mit Ausnahme der italienischen Fragen, die meine Frau bearbeitet - alle selbst. Ich verbringe an den Abenden viel Zeit damit - meine Frau meint zu viel Zeit. Etwa die Hälfte der Fragen sind zu Hausaufgaben von Schülern, und obwohl ich sehr oft den Eindruck gewinne, dass der fragende Schüler noch wenig eigenen Gehirnschmalz für das Lösen der Aufgabe investiert hat, helfe ich dennoch in der Hoffnung, mit einer einleuchtenden Erklärung den Grundstein für ein Verständnis des Chemieunterrichts für die Zukunft zu legen. Und wenn der Schüler nur eine billige Hausaufgabenhilfe in Anspruch nehmen will, wird es ihm für die Klausur auch wenig nützen.

 

Chemieolympiade 2008

Was mich aber sehr enttäuscht ist, dass eine ganze Reihe von Schülern nun den Fragenservice des Portals nutzen wollen, um aktuelle Aufgaben der Chemieolympiade gelöst zu bekommen. Dabei wird auch vor ganz offensichtlichen Betrugsversuchen "ich schreibe morgen eine Klausur", "wir haben diese Aufgabe in der Chemie AG bekommen, und mein Lehrer kann sie auch nicht lösen" nicht zurückgeschreckt. Muss das wirklich sein? Es gibt doch genug Quellen (Nachschlagewerke wie Wikipedia und Chemieskripte wie "Vernetzes Studium Chemie) im Internet, die man zum Lösen nutzen kann. Auch ein Blick in ein Chemiebuch - zu finden in jeder öffentlichen Bibliothek falls die Schule hier wirklich nichts hat - kann gewinnbringend sein. Diskussion mit Mitschülern, in Schülerforen, etc. die Möglichkeiten sind endlos. Bei der Chemieolympiade geht es im Wettbewerb jeder gegen jeden um den Einzug in die dritte Runde. Wer sich aber unerlaubte Hilfestellungen - ich möchte das mal mit Doping im Sport vergleichen - besorgt, übervorteilt direkt seine Mitschüler.

Ich hatte das IPN in Kiel schon in der ersten Runde gebeten, mit unaufgefordert und zeitnah die Aufgaben der Chemieolympiade zu schicken. Leider ist das nun für die zweite Runde wieder nicht erfolgt - mit der Erschwernis, dass die Aufgaben nicht im Netz zugänglich sind. Ich habe in einem nachdrücklichen Apell an das IPN erneut darum gebeten, mir die Aufgaben zugänglich zu machen, damit ich keine ungewollten Hilfestellungen gebe. An alle Schüler möchte ich appellieren, die Chemieolympiade als spannenden Wettbewerb zu betrachten, dessen Aufgaben jeder nach seinen eigenen Fähigkeiten lösen sollte.