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Oliver Reiser

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Feindliche Übernahme von Schering durch Merck?

von Prof. Oliver Reiser

Steht ein weiterer Zusammenschluss zweier Pharmaunternehmen bevor? Merck KG, Darmstadt, machte ein feindliches Übernahmeangebot der Schering AG, Berlin.

Seit etwa 10 Tagen tobt eine neue Schlacht auf dem Pharmamarkt: Mitte März 2005 gab die Firma Merck KG, Darmstadt, ihre Absicht bekannt, die Schering AG zu übernehmen. Hierfür bot Merck einen Preis von 77 EUR pro Aktie (damaliger Aktienkurs 63 EUR, inzwischen schnellte der Kurs auf 85 EUR an) . Das zur Übernahme benötigte Kapital von etwa 14 Milliarden Euro soll einerseits aus dem Kapital der Familie Merck, die die Firma kontrolliert, andererseits durch Kredite, etwa von der Deutschen Bank, aufgebracht werden.

Sinnvolle Zukunftsstrategie?

Schering ist als eines der führenden Pharmaunternehmen der Welt mit gesunder Finanzstruktur und attraktivem Portfolio sowie vielversprechenden neuen Wirkstoffkandidaten fraglos ein interessantes Ziel für einen Kauf. Das ausgerechnet eine Übernahme von einem Unternehmen erfolgen kann, das selbst nur etwa genauso groß ist wie die Schering AG (Umsatz 2005: Merck 5.9 Milliarden EUR; Schering 5.3 Milliarden EUR) ist wohl ein Zahn der Zeit, in der die Hoffnung auf Börsengewinne das für solche Spekulationen nötige Kapital freisetzt.

Die Ausrichtung von Merck und Schering ist dagegen recht unterschiedlich, nur im Bereich der Onkologie gibt es Überschneidungen. Dennoch gibt es bereits von Merck gemachte Aussagen, dass durch - nicht näher definierte - Synergien etwa 500 Millionen EUR eingespart werden können, was im Klartext wohl den Abbau mehrerer Tausend Arbeitsplätze bedeuten dürfte - zwischen 1500 bis zu 7000 wird von unterschiedlichen Quellen geschätzt.

Der Wert einer Pharmafirma

Die Entwicklung neuer Wirkstoffe ist kostspielig, so dass Dopplungen vermieden werden müssen, womit oftmals die Zusammenlegung von Firmen begründet wird. Doch haben die Pharmafirmen längst aufgegeben, als Einzelkämpfer in das Rennen um Wirkstoffe zu gehen: Wo immer sinnvolle Allianzen geschlossen werden können, wird dies getan, auch wenn es sich um ein Konkurrenzunternehmen handelte. Doch Konkurrenz ist andererseits auch notwendig, um immer bessere Wirkstoffe zu finden, sei es durch alternative Entwicklungen, aber auch durch Kontrolle von Wirkstoffen, die dadurch entsteht, das ein Konkurrent einen neuen Wirkstoff eines anderen Unternehmen testet.
Antibiotikaresistenzen, SARS, Vogelgrippe, AIDS, Krebs und viele andere aktuelle Geißeln der Menschheit zeigen, wie nötig die Suche nach neuen Wirkstoffen für unser Überleben ist.

Ich kenne viele in der Forschung und Entwicklung tätige Chemiker bei Schering und bei Merck, die mit großem Engagement sich den Herausforderungen in der Wirkstoffforschung stellen. Deren Arbeit ist es, die den Wert einer Pharmafirma ausmachen, und nicht die Phantasien auf Börsengewinne. Mich würde es wundern, wenn aus dem Blickwinkel der in den beiden Unternehmen angesiedelten Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Zusammenschluss zwischen Merck und Schering für sinnvoll erachtet werden würde.

 

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