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Oliver Reiser

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Wenn die Haare nicht mehr sprießen... Italiano

von Oliver Reiser

Jeder Mann und manche Frau kennen das Problem: Mit dem Alter lichten sich die Haare. Vielfach sind die Gründe hierfür hormoneller (=chemischer) Natur. Mit dem Verständnis dieser Vorgänge werden zunehmend Mittel entwickelt, die den Haarausfall aufhalten können. © Chemie-im-Alltag 08-2008.

Haare_wenigerDen einen trifft es früher, den anderen später, doch kaum ein Mann und etwa 10% aller Frauen können sich der Tatsache entziehen, dass sich mit dem Alter die Haare auf dem Kopf lichten. Schon mit dem Ende der Pubertät beginnt oftmals der Haarausfall und kann so selbst bei jungen Männern Anfang/Mitte 20 schon sichtbar sein. Da eine volle Haarpracht ein jugendliches Aussehen verleiht überrascht es daher kaum, dass eine Vielzahl von Mitteln auf dem Markt sind, die dem Haarausfall entgegenwirken oder sogar das Wachstum neuer Haare fördern soll.

 

Wenig Haare = hohe Potenz? Ursachen für den Haarausfall.

TestosteronEin Trost zumindest für viele Männer ist die Aussage, dass früher Haarausfall auf eine hohe Potenz hinweist. Leider ist dies nur ein Mythos: Der Hauptverursacher für erblich bedingten Haarausfall ist zwar tatsächlich das männliche Geschlechtshormon Testosteron, das einerseits die Libido stärkt, andererseits aber die Haarwurzeln irreparabel schädigt. Jedoch ist nicht ein zu viel an Testosteron, sondern eine genetisch bedingte Überempfindlichkeit gegen das Hormon, genauer gesagt gegen Dihydrotestosteron (DHT), einem Abbauprodukt des Testosterons, hierfür verantwortlich. Dabei sind die Effekte von DHT vielfältig: Die natürliche Barriere, Feuchtigkeit zurückzuhalten, wird geschwächt, so dass die Kopfhaut schneller austrocknet, umgekehrt können unerwünschte Fremdsubstanzen leichter in die Kopfhaut eindringen. Auch die für die Regeneration der Kopfhaut nötige Zellteilung wird verlangsamt, doch scheint vor allem unter dem Einfluß von Testosteron das Wachstum der Haarwurzeln schwächer zu sein sowie deren vorzeitiger Eintritt in die Ruhephase gefördert zu werden.

 

Finasterid - Doping nicht nur für die Haare

FinasteridEin möglicher Ansatz den Haarausfall aufzuhalten wäre also, den Abbau von Testosteron zu Dihydrotestosteron zu blockieren. Das Steroid-Analogon Finasterid hemmt das hierfür verantwortliche Enzym 5α-Reduktase, wodurch bei Einnahme der Substanz in Tablettenform (1 mg pro Tag) der Spiegel von DHT im Blutserum um etwa 70% gesenkt wird. Das verschreibungspflichtige, ursprünglich unter dem Namen Propecia™ der Firma Merck, Sharp & Dohme, inzwischen auch von mehreren Generikaherstellern angebotene Medikament zeigte in Studien mit über 1500 Männern bei etwa 80% der Probanden ein Aufhalten des Haarverlusts, und bei 65% sogar eine Verdichtung der Haare. Nebenwirkungen traten nur in sehr geringem Umfang auf, doch können - wie stets bei der Einnahme von Steroiden - Störungen im Hormonhaushalt auftreten, die von einem reversiblen Verlust der Libido und Potenz bishin zu einem Wachstum der Brust reichen können. Im Gegensatz zu den nachfolgend beschriebenen Stoffen dürfen Frauen und Kinder unter 18 Jahren Finasterid nicht anwenden. Darüber hinaus müssen auch Sportler sich von dem Medikament fernhalten: Zwar wird hiermit keine Leistung steigernde Wirkung erreicht, doch wird der Nachweis von leistungssteigernden Mitteln wie Anabolika bei gleichzeitier Einnahme von Finasterid erschwert, so dass es daher auf der Dopingliste steht.

 

Coffein - Doping nur für die Haare

Haare-CoffeinDie meisten gegen Haarausfall wirkenden Mittel zielen auf eine Kräftigung der Kopfhaut und Haarwurzeln, um so der zerstörerischen Wirkung des Dihydrotestosterons entgegenzuwirken. Als nicht-verschreibungspflichtiger Wirkstoff wird hierfür Coffein vorgeschlagen, die stimulierende Substanz im Kaffee. Äußerlich, etwa mittels eines Haarshampoos oder eines Haarwassers auf die Kopfhaut aufgetragen, kann es vor allem der Hemmung des Wachstums der Haarwurzeln entgegenwirken. Dies wurde in einer Studie der Universitätsklinik Jena im Auftrag in Zusammenarbeit mit der Dr. Kurt Wolff GmbH & CO KG herausgefunden, die Coffein-haltige Haarprodukte Alpecin™ vertreiben. Die in vitro, also im Reagenzglas außerhalb eines lebenden Organismus, durchgeführten Untersuchungen wurden in der Fachzeitschrift International_Journal_of_Dermatology veröffentlicht und machen einen fundierten Eindruck. Eine in vivo Studie, also an von Haarausfall betroffenen Männern und Frauen ist meines Wissens noch nicht veröffentlicht worden.

CoffeinDer Wirkmechanismus, warum Coffein das Wachstum der Haarwurzeln stimuliert, ist allerdings nicht bekannt. Innerlich aufgenommen, etwa durch das Trinken von Kaffee, wirkt es als kompetitiver Inhibitor von Adenosinrezeptoren im Gehirn. Hierdurch wird die Adenosinaktivität eingeschränkt, was zu einer erhöhten Aktivität des Neurotransmitters Dopamin führt, worauf die anregende Wirkung von Coffein zurückgeführt wird.

 

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