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L-Carnitin ist ein wichtiger Stoff im Körper jedes Menschen, der für den Transport von Fettsäuren in die Mitochondrien - den Kraftwerken in den Zellen von Lebewesen - verantwortlich ist, wo sie dann abgebaut werden. Daher wird L-Carnitin auch als Schlankheitsmittel angepriesen. Die Fähigkeit von L-Carnitin, Nährstoffe transportieren zu können, führte dann zu der Idee, ob auf diese Weise auch das Haarwachstum gefördert werden könnte. In der Tat scheint diese Hypothese richtig zu sein, wie zwei Studien (in vitro und in vivo) der Universitätsklinken Hamburg und Lübeck sowie der Firma Schwarzkopf & Henkel zeigen, die in den Fachjournalen Journal of Dermatological Science und Experimental Dermatology veröffentlicht wurden. Danach wird mit L-Carnitin ein moderater, aber dennoch eindeutig belegbarer Effekt erzielt: Haare werden länger in der Wachstumsphase gehalten und fallen dementsprechend später aus: Das Verhältnis von aktiven (anagen) zu nicht aktiven (telogen) Haarfollikeln steigerte sich von etwa 65:35 auf 75:25 nach einer Anwendungszeit von 24 Wochen, das ist immerhin eine Steigerung um etwa 20% und darüber hinaus nah am Normalwert, der je nach Quelle zwischen 80:20 und 85:15 angegeben wird.
Solide, seriös dargestellte Daten in einer wissenschaftlichen Doppelblindstudie wurden erzielt, die fraglos einen positiven Effekt für hormonell bedingten Haarausfall durch Carnitin zeigen. Die Zahl der in dieser Studie untersuchten Probanden war - wie die Autoren selbst einräumen - mit 60 nicht besonders groß und sollte daher mit einer deutlich größeren Zahl an Testpersonen wiederholt werden. Dennoch Grund genug für mich, dass als Activ-M™ nun im Handel befindliche Tonikum einmal selbst auszuprobieren.
Aber bei allem Verständnis, diese Ergebnisse in der Öffentlichkeit möglichst positiv aussehen zu lassen, empfinde ich die Darstellung für die Wirkung des Produkts der auf der eigens für die Activ Produkte (Activ-M™ für Männer, Activ-F™ für Frauen) erstellten Webseite als unpassend geschönt. Die Kurve der aktiven Haarfollikel geht deutlich über den in der Studie erzielten Wert von 75% hinaus, und durch die Darstellung der vertikalen Achse, die bei etwa 65 und nicht wie üblich bei Null beginnt - zudem durch die Wahl der Schriftgröße kaum erkennbar - wird ein gigantischer Effekt durch das Haartonikum suggeriert. In den Fachjournalen werden dagegen die Ergebnisse inklusive der in einer statistischen Studie stets vorhandenen Schwankungen durch Angabe der Fehlerbalken ungeschminkt dargestellt: Der Effekt auf das Haarwachstum wird als moderat bezeichnet, und ein moderater Effekt - und das ist für viele Konsumenten oftmals nicht einsichtig, insbesondere da in der Werbung ja gerne das Blaue vom Himmel versprochen wird - ist hier auch völlig ausreichend, um den normalen Haarausfall signifikant zu verlangsamen.
Die Aminosulfonsäure Taurin - ein natürliches Abbauprodukt des Körperstoffwechsels im Menschen - scheint ebenfalls dem Haarausfall entgegenzuwirken. Zumindest Besitzer von Perserkatzen schwören seit langem auf Präparate mit dieser Substanz, damit das Katzenhaar seidiger und fester wird, wenn man auch gegen den natürlichen Fellwechsel einer Katze wenig ausrichten kann. Taurin findet sich auch in Energy Drinks und soll eine Leistungssteigerung bewirken, und wird nun ebenfalls den Activ-Haarprodukten zugesetzt. Schließlich enthalten die Präparate noch das Pflanzenextrakt Echinacea, das die vermehrte Ausschüttung von Wachstumsfaktoren in den Zellen der Haarwurzel bewirkt. Eine Studie, die die Wirksamkeit der Kombination dieser drei Substanzen zeigt, steht noch aus.
> > > Teil 3: Ein Blutdrucksenker läßt Haare wachsen
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