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Oliver Reiser

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Doktorarbeit in der Chemie - lohnt sich das? [Teil 3]

Oliver Reiser

Die Bekundung der chemischen Industrie, auch nicht promovierte Chemiker einzustellen, entfachte die Diskussion, ob und wer den Weg einer Doktorarbeit beschreiten soll.

 

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Die Doktorarbeit bietet nicht nur Forschung!

Die Doktorarbeit bietet zusätzliche Möglichkeiten außer der Forschungsarbeit. Ein Wechsel zu einer anderen Universität oder zu einem Forschungsinstitut ist in der Regel zwanglos möglich, erweitert den Horizont und macht sich gut im Lebenslauf. Darüber hinaus sind auch kurze Forschungsaufenthalte im Ausland attraktive Facetten während der Doktorarbeit, die ein wenig Organisation und frühzeitige Absprache mit dem Doktorvater erfordern, sich aber fast immer realisieren lassen. Darüber hinaus bieten die interdisziplinären Graduiertenkollegs an vielen Universitäten, dank speziell für Doktoranden vorgesehener Vorlesungen und Seminare, die Möglichkeit zur Weiterbildung über sein eigenes Fach hinaus.

Blicke ich auf meine Zeit der Promotion zurück, hat sie mir für meine weitere Entwicklung viel mehr gegeben als nur die Durchführung einer Forschungsarbeit. So hatte ich die Gelegenheit, gleich zweimal für mehrere Monate ins Ausland zu gehen, und habe Teile meiner Arbeit in Zusammenarbeit mit der Industrie durchgeführt.

Flucht vor dem Laborfrust?

Während des Chemiestudiums verbringt man viel Zeit in Laborpraktika, und so verwundert es nicht, dass für manchen Absolventen die Aussicht auf drei weitere Jahre in einem Universitätslabor während der Doktorarbeit nicht attraktiv erscheint. Der Eintritt als Chemiker mit Masterabschluss ins Berufsleben in die chemische Industrie ist eine interessante Alternative, zumal die erzielbaren Jahresgehälter mit etwa 40.000 Euro brutto viel höher sind als ein Assistentengehalt (etwa 28.000 Euro brutto) oder ein Stipendium (13.000 Euro netto), die Standard für Doktoranden in der Chemie sind.

Auch die chemische Großindustrie wirbt seit neuestem um Chemiker mit Masterabschluss, die in der Forschung eingesetzt werden sollen. Man sollte sich aber insbesondere über die langfristigen Perspektiven solcher Stellen genau informieren. So werden in der Forschung Chemiker mit einem Masterabschluss vor allem für die selbständige Durchführung von Laborsynthesen gesucht, typische Arbeiten, die ein chemisch technischer Assistent unter Anleitung eines promovierten Chemikers in der Industrie durchführt. Ein Aufstieg aus dieser Position für einen Master-Chemiker ist aber bislang eher nicht vorgesehen, beziehungsweise wieder nur möglich über die Durchführung einer Doktorarbeit, die unter Umständen im Industrieunternehmen in Aussicht gestellt wird. Einstiegsgehälter für promovierte Chemiker in der Industrie liegen bei etwa 50000 EUR brutto, laut einer Studie des Verbandes VAA - Führungskräfte Chemie aus dem Jahr 2010 verdient eine 40jährige Führungskraft mit Hochschulabschluss und 14 Jahren Berufserfahrung (= Promotion und 10 Jahre Berufserfahrung) durchschnittlich rund 90000 EUR brutto.

Die typische Einstellungsposition eines promovierten Chemikers in der Forschung ist dagegen die eines Laborleiters, das heißt, man steht einem Team von chemisch-technischen Assistenten vor, mit denen man zusammen Forschungsprojekte angeht. Die Zeit, die der promovierte Chemiker dabei selbst im Labor mit dem Durchführen von Experimenten verbringt, ist vergleichsweise gering. Darüber hinaus bieten sich einem promovierten Chemiker sehr viel bessere Aufstiegsmöglichkeiten sowie der Wechsel in andere Bereiche innerhalb der Firma. Die Flucht desChemikers mit Masterabschluss vor dem Labor kann sich also sehr rasch als Trugschluss erweisen.

Fazit

Wer eine Tätigkeit in der Forschung von vornherein kategorisch für sich ausschließt, sollte sich sicherlich nicht zu einer Doktorarbeit entschließen. In vielen Fällen kann aber dann stattdessen zu einem Aufbaustudium in einem nicht-chemischen Fach geraten werden. Wer dies schon früh erkennt, sollte dann sogar schon nach dem Basisstudium / Bachelor Chemie von sechs Semestern das Vertiefungs- bzw. Masterstudium danach ausrichten, etwa mit dem Ziel der Ausbildung zum Wirtschaftschemiker. Wer allerdings Chemie bis zum Diplom studiert hat und nicht plötzlich eine tiefe Abneigung gegen eine chemisch orientierte Forschungsarbeit verspürt, sollte in eine Promotion als zukunftssichere Qualifikation investieren und die oben beschriebenen Möglichkeiten zusätzlich zur reinen Forschungstätigkeit nutzen.

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